Kairo, 2006. Der portugiesische Kryptanalyst Tomás Noronha soll ein mysteriöses Manuskript entschlüsseln. Sein Titel? Die Gottesformel. Sein Autor? Albert Einstein. Was auf dem Spiel steht? Nichts weniger als die Anleitung für eine einfach zu bauende Atombombe. Wider Willen wird Tomás als Doppelagent des Iran und der CIA in eine internationale Spionageaffäre verwickelt und kommt im Rahmen seiner Ermittlungen einem der größten Rätsel der Welt auf die Spur: dem wissenschaftlichen Beweis für die Existenz Gottes.
Verlag: Luzar Publishing Jahr: 2017 Seiten: 604 ISBN: 978-3-946621-00-3
Bevor ich zum Buch an sich komme, kurz etwas zum Äußeren des Buches: Warum zum Teufel musste der Verlag das Buch mit einer roten Banderole bedrucken, die vorne den Aufdruck „Weltweit mehr als 1 Million Mal verkauft“ mit sich bringt? Selten so eine Verschandelung eines Covers gesehen… dass muss irgendwie echt nicht sein, egal wie stolz man auf die Verkaufszahl ist… Nun aber doch zum Buch selber.
Meine Überlegungen was ich zu dem Buch schreiben soll, lassen sich sehr treffend mit Goethe zusammenfassen: „Zwei Seelen wohnen, ach! In meine Brust“. Das Problem des Buches ist, dass es versucht einen Thriller mit den Themen und Fragen von Physik, Mathematik, Religion und Philosophie zu verknüpfen. Während Dos Santos die Wissensvermittlung gut gelingt ist der Thriller einfach gar nichts geworden…
Naive Professor als Agent
Hauptakteur ist Tomás Noronha, ein portugiesischer Spezialist für Kryptanalyse, Sohn eines Mathematikprofessors. Er stolpert zufällig und naiv in die ganze Sache herein, darf dann für die Iraner und den CIA arbeiten, verliebt sich, wird gefangen genommen, befreit, reist um die Welt, trifft einen tibetanischen Mönch, reist wieder nach Hause und entschlüsselt das „Rätsel der Existenz Gottes“. Wer jetzt denkt, „klingt wie Dan Brown?“: Diesen Gedanken hatte ich auch. Allerdings ist das ganze noch seichter als Dan Brown, teilweise noch konstruierter und auch nicht so wirklich spannend. Kurzum: Die Thriller-Geschichte des Buches ist einfach mist und total unglaubwürdig.
Von Gödel und Heisenberg
Warum ich das Buch trotzdem ganz gut fand? Das Einstein Enigma kann man statt als Thriller auch als Sachbuch sehen. Die (miese) Thrillerhandlung wird immer wieder von „Lehrstunden“ einzelner Charaktere im Buch unterbrochen. Und in diesen vollführt Dos Santos einen ziemlichen Ritt durch die verschiedenen Wissensgebiete. Währen er sich anfangs primär der Physik widmet (allerdings meist auf die Entstehung des Universums bezogen) kommt er später auch auf die Theologie zu sprechen.
In diesen Passagen geht der Autor auch weit über die Tiefe heraus, die man in einem „Thriller“ erwarten könnte. Neben physikalischen Theorien wie Relativitätstheorie, Quantentheorie oder Chaostheorie bekommt man auch Dinge wie Heisenbergs Unschärferelation, die Gödelschen Unvollständigkeitssätze oder Überlegungen zum Ende des Universums (Big Crunch vs. Big Freeze) präsentiert. Hierbei geht man natürlich nicht gleich auf Uni-Level, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass jemand der mit Naturwissenschaft gar nichts am Hut hat von diesen Vorträgen etwas überfordert ist. Diese Teile nehmen auch einen immer größeren Teil des Buches ein, verkommen teilweise wirklich zu ziemlich langen, vorlesungshaften Monologen – sind für den interessierten Leser aber sicherlich trotzdem interessant und spannend.
Gott und die Welt
Später widmet man sich auch der Theologie und alten spirituellen Weisheiten. Hier darf dann (ganz stereotyp) ein alter Mönch über die Ideen aus Hinduismus, Buddhismus, Taoismus und Christentum sowie den Zusammenhang zwischen den jeweiligen alten Schriften und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen referieren.
Etwas fragwürdiger wird das Buch dann, wenn es gegen Ende die Theorie des (starken) anthropischen Prinzips als Lösung aller Fragen präsentiert. Falsch ist an den Schlussfolgerungen wenig – das ganze ist ja fast eine Tautologie die also nicht falsch sein kann, aber es als DIE Lösung für die großen Fragen des Universums zu präsentieren ist auch etwas gewagt. Wer die aufgeworfenen Fragen und Erklärungen als Denkanstoß nimmt, um sich vielleicht etwas mit dem Thema zu beschäftigen: Sehr gut. Als die einzig wahre Wahrheit sollte man die Lösung des Buches allerdings nicht auffassen – auch wenn sich Dos Santos sehr viel Mühe gibt (und es auch ziemlich gut schafft) das Ganze sehr wissenschaftlich fundiert und damit unumstößlich wirken zu lassen.
Ganz am Schluss darf übrigens leider wieder die Thrillerstory auferstehen – und Tomás in einem erneut arg konstruierten Ende die finalen Worte entschlüsseln…
Die zwei Teilbereiche, Thriller und Wissenschaft, die beide extrem unterschiedlich umgesetzt sind, machen eine Bewertung des Buches wirklich schwierig. Ich hab mich jetzt irgendwie für eine Mitte entschieden (auch wenn ich es persönlich als Freund von wissenschaftlichen Dingen eher besser fand). Wer ein Buch im Stil von Dan Brown erwartet darf von meiner Wertung gerne nochmal 2 Punkte abziehen – wer gerne (populär-)wissenschaftliche Literatur liest, und diese auch mal gerne in einer leichten Thrillerhandlung sieht, kann gerne 2 Punkte dazu addieren.