Susan und Julie sind gerade sechzig Jahre alt geworden. Sie leben in einem kleinen Dorf in Südengland und sind seit der Schulzeit miteinander befreundet. Susan führt ein bürgerliches Hausfrauendasein. Julie lebt in einer Sozialwohnung und arbeitet als Aushilfe in einem Pflegeheim. Als Susans Ehemann Barry tot aufgefunden wird, offenbart sich, dass er ein surreales Doppelleben führte und Susan einen finanziellen Scherbenhaufen hinterlassen hat. Um nicht in die Altersarmut abzurutschen, greifen sie zu einer radikalen Lösung.
Verlag: Heyne Hardcore Jahr: 2009 Seiten: 400 ISBN: 978-3-453-67727-0
Nach der Musikindustrie (Kill your Friends), Golf (Coma) und Gott (Gott bewahre) widmet sich John Niven in Old School den alten Leuten – hier kann also niemand sagen, Niven versucht nicht neue Themengebiete zu betreten. Herausgekommen ist eine typisch britische Mischung aus Krimi und Komödie.
Die Hauptakteure des Buches sind nicht wirklich die typischen Charaktere die man so in Bücher findet. Man begleitet eine Rentner-Truppe nach ihrem <Achtung – kleiner Spoiler> mehr oder weniger erfolgreichem Banküberfall </Spoiler> auf der Flucht vor der Polizei.
Die Charaktere selbst sind ziemlich verschieden. Da wäre Susan, die Witwe geworden ist, weil ihr Mann, ein kleinlicher Buchhalter, bei einem Prostituierten-Besuch an einem Herzinfarkt zu Tode gekommen ist (dabei spielte auch ein Riesendildo eine Rolle). Julie kann sich nur gerade so über Wasser halten, arbeitet als Aushilfe im Pflegeheim und wohnt in einer Sozialwohnung. Ethel, eine der Bewohnerinnen in Julies Heim, war früher Tänzerin und ist auch jetzt noch von arg derben Gemüt. Trotz ihres Alter sind ihre Gedanken doch noch ganz der wilden “Sex, Drugs and Rock’n’Roll” Zeit anhängig. Das komplette Gegenteil ist die streng gläubige Jill – die von Ethels derben Kommentaren doch das ein oder andere mal arg in Verlegenheit gebracht wird.
Club der sympathischen Gangster
Trotz aller Verschiedenheit gelingt es Niven die Charaktere als rundum sympathischen Haufen rüberkommen zu lassen. Größtenteils schafft er es sogar, sie als recht glaubhaft und realistisch zu zeichnen – nur Ethel schlägt hier mit ihrer extrem vulgären Art doch das ein oder andere mal etwas über das Glaubhafte hinaus. Auch gönnt man ihnen ihr ergaunertes Geld – wahrscheinlich auch deshalb, weil der Roman sich im Kern doch mit einem Gesellschaftsproblem befasst: Armut und das Gefühl der “Nutzlosigkeit” im Alter. Das Ganze als sozialkritisch zu bezeichnen wäre jetzt zwar Zuviel des Guten, aber über die verschiedenen Gründe nachzudenken, warum dieser Club der Alten zu Gaunern wird, kann sicher nicht schaden.
Neben den Kapitel, die sich mit unserem Gauner-Club befassen gibt es auch Kapitel die sich “der anderen Seite” – die der Polizei – widmen. Hier läuft alles unter der Führung von Sergant Boscombe, der nicht gerade Werbung für den Beruf des Polizisten betreibt. Diese Kapitel sind leider extrem flach und nach dem Humor-Prinzip “Holzhammer” gestrickt. Das Verhalten Boscombes ist an Infantilität teilweise nicht zu überbieten – er gibt hier den typischen trotteligen Klischee-Polizisten. Hier wäre weniger, bzw. etwas feiner definierter Humor, vielleicht mehr gewesen.
Bilder in meinem Kopf
Was beim Lesen auffällt: Niven schafft es unheimlich gut, beim Leser Bilder im Kopf zu erzeugen. Im Prinzip hatte ich durchgehend den Eindruck, das Drehbuch eines Films zu lesen. Gefühlt könnte man das Buch so 1:1 verfilmen und es käme sicher etwas unterhaltsames dabei raus. Leider ist das vielleicht auch mit das Problem der Boscombe-Kapitel: Man hier hier den typischen vertrottelten Cartoon-Polizisten vor Augen – was im Kontext eines Buches halt einfach ab und an etwas zu viel des Guten ist.
Trotz den paar angesprochene Problemen hab ich mich beim Lesen durchaus gut unterhalten gefühlt. Für Leser, die dem britischen Humor nicht abgeneigt sind, durchaus eine Lektüre wert.
Einen wirklichen Grund das Buch unter dem Hardcore-Label von Heyne zu veröffentlichen hab ich allerdings nicht gefunden, außer das bis jetzt auch alle anderen Werke Nivens bis jetzt unter dem Hardcore-Label erschienen sind. Die paar derben Ausdrücke aus Ethels Mund machen das Buch noch lange nicht zu “Hardcore”. Inhaltlich hätte das Buch auch sehr gut in das ganz normale Heyne-Verlagsprogramm gepasst.